Lektion 4: Den Kontext verstehen

Ein Beispiel (Matthäus 3:7–10)

Wir wollen diese Schritte nun an einem Beispiel anwenden.

Die SadDuzäer und Pharisäer in Matthäus 3:7–10

Wer waren die Sadduzäer und Pharisäer, und warum ist das überhaupt wichtig?
Um diese Fragen zu beantworten, wollen wir die acht Schritte durchgehen und mit dieser Hilfe die Lücke schließen:
  1. Identifiziere unbekannte Hintergrunddetails im Text (Orte, Namen, historische Ereignisse, Redewendungen, kulturelle Praktiken usw.).
  2. Suche nach anderen biblischen Hinweisen auf dieselben (oder eng verwandte) Details.
  3. Ergänze dein Studium mithilfe von Ressourcen zum historischen/kulturellen Hintergrund. (Siehe unten.)
  4. Beschreibe, wie die ursprünglichen Leser/Hörer diesen Text verstanden hätten.
  5. Bewerte die kulturellen Unterschiede. Was hat sich über die Kulturen hinweg verändert? Was ist gleich geblieben?
  6. Erkenne die zeitlosen Wahrheiten, die die Passage vermittelt. (Denke insbesondere an das Wesen Gottes, des Menschen, der Sünde, der Erlösung.)
  7. Untersuche deinen eigenen kulturellen Kontext. Welche Parallelen erkennst du?
  8. Wende die theologischen Prinzipien über die kulturelle Kluft hinweg auf unser heutiges Leben an.

Beginnen wir mit dem Lesen des Textes:
1 In jenen Tagen aber erscheint Johannes der Täufer und verkündigt in der Wüste von Judäa 2 und spricht: Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen! 3 Das ist der, von welchem geredet wurde durch den Propheten Jesaja, der spricht: »Die Stimme eines Rufenden ertönt in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Pfade eben!« 4 Er aber, Johannes, hatte ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden, und seine Speise waren Heuschrecken und wilder Honig. 5 Da zog zu ihm hinaus Jerusalem und ganz Judäa und das ganze umliegende Gebiet des Jordan, 6 und es wurden von ihm im Jordan getauft, die ihre Sünden bekannten. 7 Als er aber viele von den Pharisäern und Sadduzäern zu seiner Taufe kommen sah, sprach er zu ihnen: Schlangenbrut! Wer hat euch eingeredet, ihr könntet dem zukünftigen Zorn entfliehen? 8 So bringt nun Früchte, die der Buße würdig sind! 9 Und denkt nicht, bei euch selbst sagen zu können: »Wir haben Abraham zum Vater«. Denn ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken! 10 Es ist aber auch schon die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt. Jeder Baum nun, der keine gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen! 11 Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; der aber nach mir kommt, ist stärker als ich, so dass ich nicht würdig bin, ihm die Schuhe zu tragen; der wird euch mit Heiligem Geist und Feuer taufen. 12 Er hat die Wurfschaufel in seiner Hand und wird seine Tenne gründlich reinigen und seinen Weizen in die Scheune sammeln; die Spreu aber wird er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer.

Schritt 1: Identifiziere

1. Identifiziere unbekannte Hintergrunddetails im Text (Orte, Namen, historische Ereignisse, Redewendungen, kulturelle Praktiken usw.).
Für unsere Zwecke in diesem Beispiel konzentrieren wir uns auf das Hintergrunddetail aus Vers 7: Wer sind die Pharisäer und Sadduzäer?

SCHRITT 2: Suche

2. Suche nach anderen biblischen Hinweisen auf dieselben (oder eng verwandte) Details.
In unserem Beispiel haben wir diesen Schritt für dich abgeschlossen, indem wir die Suche in Biblearc verwendet haben, um andere biblische Hinweise auf die Pharisäer und die Sadduzäer nachzuschlagen. Nimm dir etwas Zeit, um die Ergebnisse der beiden Suchen in den unten stehenden Biblearc-Modulen zu untersuchen. Notiere dann deine Beobachtungen im Antwortfeld unten.

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Andere biblische Hinweise auf die Sadduzäer und Pharisäer:

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Notiere fünf bis zehn Beobachtungen über die Sadduzäer und/oder Pharisäer.

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Beobachtungen über die Pharisäer und Sadduzäerpdf
Öffne dieses PDF, um zu sehen, was wir über die Pharisäer und Sadduzäer aus dem Neuen Testament erfahren haben.

SCHRITT 3: Ergänze

3. Ergänze dein Studium mithilfe von Ressourcen zum historischen/kulturellen Hintergrund.
Für dieses Beispiel wurde das Rienecker Bibellexikon konsultiert. Es bestätigt die oben genannten Details, enthält aber noch interessante Zusatzinformationen:
Zu den Sadduzäern:
  • Die S. waren wesentlich politisch interessiert und stark von hellenistischem Denken beeinflusst, was sie zu Gegnern der Pharisäer machte (Apg 23:6ff).
  • Zur Zeit Jesu hatten sie im Volk nur noch wenig Einfluss; die sadduzäischen Priester bildeten jedoch die dem Hohenpriester ergebene Fraktion des Hohen Rates (Apg 5:17) und hatten so die politische Führung des Volkes in Händen; sie bildeten die Partei der Vornehmen und Reichen. Während des öffentlichen Wirkens Jesu war ihre Politik im Ganzen römerfreundlich.
  • In der Lehre stimmten S. und Pharisäer in der Anerkennung des Pentateuch überein. Die S. verwarfen jedoch die mündliche »Überlieferung der Väter« (Halacha), d.h. die pharisäischen Ausführungsbestimmungen und Kommentare zum Gesetz (Satzungen), und schätzten die Propheten nicht sehr hoch ein.
Zu den Pharisäern:
  • Zwar standen die P. in Opposition zu den Römern, aber Gewaltanwendung wurde nur von der Untergruppe der Zeloten befürwortet.
  • ... die geistlichen Führer des Volkes waren jedoch die P. Obwohl meist keine Priester, waren sie die eigentlich Frommen und Rechtgläubigen des Volkes, die das Gesetz als den Willen Gottes mit ganzem Ernst zu erfüllen suchten (Phil 3:5f).
  • Auszugehen ist vom Grundanliegen der P., die bibl. Heiligkeits- und Reinheitsvorschriften, die eigentlich nur für Priester gedacht waren, auf das ganze Volk und den gesamten Alltag anzuwenden, um zu erreichen, dass Gottes Volk im Ganzen für Gott heilig ist. Allerdings waren die Reinheitsvorschriften des AT so angelegt, dass im Alltag eben Zeiten der kultischen Unreinheit vorkamen und auch vorkommen durften, ohne dass das vor Gott verwerflich wäre. Die Reinheit der Priester wiederum konnte gewahrt werden, weil sie mit bestimmten Alltagsvorgängen nicht in Berührung kamen. Von daher ergab sich ein Konflikt zwischen den bibl. Reinheitsgeboten und der Absicht, sie im gesamten Leben aller Juden anzuwenden. Zu diesem Zweck legten die P. einzelne Vorschriften in angepasster Weise aus.

SCHRITT 4: Beschreibe

4. Beschreibe, wie die ursprünglichen Leser/Hörer diesen Text verstanden hätten.

Was meinte Johannes angesichts dessen, was wir über die Sadduzäer und Pharisäer herausgefunden haben, als er sie "Schlangenbrut“ nannte?

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Hier sind einige unserer Notizen dazu, wie das ursprüngliche Publikum Johannes wohl verstanden hat:
  • Diejenigen, die sich am Jordan versammelt hatten, um die Taufe von Johannes mitzuerleben, waren vielleicht ziemlich schockiert, zu hören, wie Johannes diesen religiösen Führern so kühn entgegentrat.
  • Da sowohl Pharisäer als auch Sadduzäer anwesend waren, ist es unwahrscheinlich, dass ihre theologischen Differenzen bei Johannes' Tadel eine große Rolle spielten.
  • Wenn die Menschen die Botschaft des Johannes – „das Königreich der Himmel ist nahe“ – in Bezug auf den Tag des Herrn verstanden, von dem die Propheten sprachen, dann verstanden sie diesen Tag möglicherweise sowohl als einen Tag der gnädigen Befreiung als auch als einen Tag des schrecklichen Gerichts. Und so würden die harten Worte von Johannes dieser doppelten Realität entsprechen.

SCHRITT 5: Bewerte

5. Bewerte die kulturellen Unterschiede. Was hat sich über die Kulturen hinweg verändert? Was ist gleich geblieben?
Sicherlich haben sich viele der kulturellen Details völlig verändert. Am offensichtlichsten ist, dass die Pharisäer und Sadduzäer nicht mehr existieren, obwohl das moderne orthodoxe Judentum aus den Pharisäern hervorgegangen ist und eine klare Ähnlichkeit aufweist. Dennoch ist überhebliche Religiosität unter uns heute genauso reichlich vorhanden wie damals. Insbesondere die Pharisäer sahen sich als Torhüter zu Gottes Gunst. Doch Jesus bezeichnet diese vermeintlichen Insider immer wieder als Außenseiter, die sich selbst täuschten. Keine Generation ist immun gegen "den Sauerteig der Pharisäer", also die Gefahr, dass sich religiöser Eifer in stolze Heuchelei verwandelt, dass geistliche Führung als bloßer Vorwand für weltliche Macht dient.

SCHRITT 6: Erkenne

6. Erkenne die zeitlosen Wahrheiten, die die Passage vermittelt. (Denke insbesondere an das Wesen Gottes, des Menschen, der Sünde, der Erlösung.)
Niemand, egal in welcher Generation, sollte die Gnade Gottes für selbstverständlich nehmen. Diejenigen, die sich Gott mit der Haltung nähern "Ich bin natürlich von ihm angenommen und Teil der Herde", werden am meisten überrascht sein, wenn er sie hinauswirft. Gott wird diejenigen aufrechterhalten, die er aus reiner Gnade erweckt, die aufrichtig Buße tun und die der Buße würdige Früchte bringen.

SCHRITT 7: Untersuche

7. Untersuche deinen eigenen kulturellen Kontext. Welche Parallelen erkennst du?
Obwohl sie unterschiedliche Namen haben, haben wir immer noch unsere theologischen Lager: Progressiv, fundamentalistisch, evangelikal, zusammen mit einer Fülle von konfessionellen Lagern. Und jede Fraktion geht in verschiedenen Punkten davon aus, dass sie recht hat.

SCHRITT 8: Wende an

8. Wende die theologischen Prinzipien über die kulturelle Kluft hinweg auf unser heutiges Leben an.
Wenn wir, wie die Sadduzäer und Pharisäer, stolz unser "Recht" auf das Reich Gottes als selbstverständlich nehmen, dann fallen wir unter dasselbe Urteil. Diese Warnung ist in unserer Kultur genauso relevant und aktuell wie in der von Johannes.
Bibelauslegung