Lektion 5: Einführung in die Literaturgattungen

NT Gattungen: Evangelien & Apostelgeschichte

Die vier Evangelien

Was sind die Evangelien?

Die vier Evangelien sind einzigartig in der antiken und modernen Literatur. Wie Biografien erzählen sie etwas von der Lebensgeschichte Jesu. Doch nur Matthäus und Lukas liefern Einzelheiten über das Leben Jesu vor seiner Taufe und seinem öffentlichen Dienst. Wie eine Anthologie bieten sie eine ausführliche Sammlung der Lehre und des Dienstes Jesu, aber wie ein Gelehrter bemerkt:
Auffällig an den Evangelien ist, dass sie sich auf eine Woche im Leben Jesu konzentrieren – die letzte Woche in seinem Leben bis zu seinem Tod am Kreuz. Alles deutet auf diese eine Woche hin, und die Evangelien widmen etwa ein Drittel ihrer Worte dieser letzten Woche. —Matthäus 21–28 = 1/3 des Buches —Markus 11–16 = 1/3 des Buches —Lukas 19–24 = 1/4 des Buches —Johannes 12–20 = fast 1/2 des Buches (Johannes 13–19 ist einem Tag gewidmet = 1/3 des Buches) Ein Drittel (29 von 89 Kapitel) der Evangelien ist der letzten Woche Jesu gewidmet, und die anderen zwei Drittel bereiten die Leser auf diese letzte Woche vor. Das Herz der Bibel sind die Evangelien, und das Herz der Evangelien ist das aufopfernde, erlösende Werk Christi. Die Evangelien sind im Wesentlichen Passionserzählungen mit ausgedehnten Einführungen. –Andrew David Naselli, How to Understand and Apply the New Testament, 21, meine Übersetzung
Mindestens vier Merkmale der Evangelien unterstreichen ihr einzigartiges Ziel und ihren einzigartigen Stil.

#1: Durch und durch theologisch

Erstens sind sie in Inhalt und Anordnung durch und durch theologisch. Das heißt, jeder Verfasser des Evangeliums wählte und ordnete sein Material aus, um bestimmte Themen hervorzuheben, die die Person und das Werk Christi betreffen. Johannes zum Beispiel erklärt seinen Zweck:
Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die in diesem Buch nicht geschrieben sind. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen. —Johannes 20:30–31, Hervorhebungen von mir

#2: Auf das Kreuz und die Auferstehung fokussiert

Wie oben erwähnt, konzentrieren sich die Evangelien auf "das aufopfernde, erlösende Werk Christi".¹
Während er aber dies im Sinn hatte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum, der sprach: Joseph, Sohn Davids, scheue dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was in ihr gezeugt ist, das ist vom Heiligen Geist. Sie wird aber einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. —Matthäus 1:20–21
Und er fing an, sie zu lehren, der Sohn des Menschen müsse viel leiden und von den Ältesten und den obersten Priestern und Schriftgelehrten verworfen und getötet werden und nach drei Tagen wieder auferstehen. Und er redete das Wort ganz offen. Da nahm Petrus ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren. Er aber wandte sich um und sah seine Jünger an und ermahnte den Petrus ernstlich und sprach: Weiche von mir, Satan! Denn du denkst nicht göttlich, sondern menschlich! —Markus 8:31–33
Es geschah aber, als sich die Tage seiner Wiederaufnahme in den Himmel erfüllten und er sein Angesicht entschlossen nach Jerusalem richtete, um dorthin zu reisen, —Lukas 9:51
Am folgenden Tag sieht Johannes Jesus auf sich zukommen und spricht: Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt! Das ist der, von dem ich sagte: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. Und ich kannte ihn nicht; aber damit er Israel offenbar würde, darum bin ich gekommen, mit Wasser zu taufen. —Johannes 1:29–31

#3: Erfüllung des AT

Drittens zeigt jeder der Verfasser der Evangelien sorgfältig, dass Jesus die Schriften des AT erfüllt. Die Evangelien verkünden Jesus als den Messias, den Einen, der alles erfüllt, was das AT vorgeschattet und verheißen hat:
Und als Jesus in das Haus des Petrus kam, sah er, dass dessen Schwiegermutter daniederlag und Fieber hatte. Und er rührte ihre Hand an; und das Fieber verließ sie, und sie stand auf und diente ihnen. Als es aber Abend geworden war, brachten sie viele Besessene zu ihm, und er trieb die Geister aus mit einem Wort und heilte alle Kranken, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja gesagt ist, der spricht: »Er hat unsere Gebrechen weggenommen und unsere Krankheiten getragen«. —Matthäus 8:14–17, Hervorhebungen von mir

#4: Treue Zeugen

Viertens nennen die Verfasser der Evangelien spezifische Details wie die Namen von Personen und Orten und Kommentare darüber, wann und wo Ereignisse stattgefunden haben. Dies mag für den beiläufigen Leser unwichtig erscheinen, aber für die Autoren selbst war es nicht unbedeutend. Solche Kommentare bestätigen, dass ihre Berichte wahr sind und beweisen, dass die Apostel und ihre Mitarbeiter treue Zeugen waren. Wie Lukas schreibt:
Nachdem viele es unternommen haben, einen Bericht über die Tatsachen abzufassen, die unter uns völlig erwiesen sind, wie sie uns diejenigen überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind, so schien es auch mir gut, der ich allem von Anfang an genau nachgegangen bin, es dir der Reihe nach zu beschreiben, vortrefflichster Theophilus, damit du die Gewissheit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist. —Lukas 1:1–4, Hervorhebungen von mir
Lukas wollte, dass seine Leser darauf vertrauen können, dass sein Bericht korrekt ist, dass die Botschaft des Evangeliums wahr ist. Die Details, die die Evangelien liefern, beweisen dies. Es wäre leicht für einen Leser, der Judäa, Galiläa oder die übrigen Schauplätze der Evangelien kennt, Ungereimtheiten oder Ungenauigkeiten in den Evangelien zu erkennen. Wenn sich der Autor in den kleinen Details als vertrauenswürdig erwies, kann man davon ausgehen, dass er mit seinen Hauptaussagen nicht daneben lag.
Darüber hinaus waren für die erste Generation von Lesern viele der erwähnten Personen noch am Leben und konnten das Zeugnis der Evangelien über Jesus bestätigen. Paulus macht genau das deutlich, wenn er an die Korinther über die Gewissheit der Auferstehung Christi schreibt:
Ich erinnere euch aber, ihr Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch gerettet werdet, wenn ihr an dem Wort festhaltet, das ich euch verkündigt habe — es sei denn, dass ihr vergeblich geglaubt hättet. Denn ich habe euch zu allererst das überliefert, was ich auch empfangen habe, nämlich dass Christus für unsere Sünden gestorben ist, nach den Schriften, und dass er begraben worden ist und dass er auferstanden ist am dritten Tag, nach den Schriften, und dass er dem Kephas erschienen ist, danach den Zwölfen. Danach ist er mehr als 500 Brüdern auf einmal erschienen, von denen die meisten noch leben, etliche aber auch entschlafen sind. Danach erschien er dem Jakobus, hierauf sämtlichen Aposteln. Zuletzt aber von allen erschien er auch mir, der ich gleichsam eine unzeitige Geburt bin. —1. Korinther 15:1–8, Hervorhebungen von mir
Wenn Paulus schreibt, "von denen die meisten noch leben", ist es, als würde er sagen: "Du musst dich nicht auf mein Wort verlassen, du kannst mit den Augenzeugen sprechen, sie leben noch und können alles überprüfen!"

Schlüssel zur Auslegung der Evangelien:

  1. Erkenne die Grenzen und interpretiere Episoden.
  2. Einzelne Episoden beinhalten oft eine Mischung aus Ereignissen, Wundern und Lehren.
  3. Suche nach Zeit- und / oder Ortsänderungen, insbesondere in Bezug auf den Aufenthaltsort von Jesus.
  4. Vergleiche die Berichte.
  5. Überlege, wie andere Evangelien dasselbe Ereignis oder dieselbe Lehre darstellen
  6. Frage: "Was betont der Autor dieses Evangeliums?"
  7. Achte auf die redaktionellen Kommentare des Autors.
  8. Redaktionelle Kommentare sind direkte Kommentare des Autors.
  9. Diese sagen uns oft, wie der Autor möchte, dass wir ihn verstehen.
  10. Konzentriere dich auf Jesus, besonders auf seinen Tod und seine Auferstehung.
  11. Denke daran, dass sich die Evangelien auf Jesus und sein aufopferndes, rettendes Werk konzentrieren.
  12. Frage: "Was offenbart diese Episode über die Person und das Werk Christi?"
  13. Dies gilt sowohl für die Ereignisse als auch für die Predigten, von denen die Evangelien berichten. Z.B.: Während die Bergpredigt (Matthäus 5-7) viele wichtige Wahrheiten lehrt, die wir verstehen und anwenden können, zeigt uns Matthäus sorgfältig, was die wichtigste Erkenntnis sein sollte: "Und es geschah, als Jesus diese Worte beendet hatte, erstaunte die Volksmenge über seine Lehre, denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie die Schriftgelehrten." (Matthäus7:28-29, Hervorhebung von mir)
  14. Erkenne den Hauptpunkt eines Gleichnisses.
  15. Gleichnisse haben im Allgemeinen nur einen Hauptpunkt.
  16. Betrachte sorgfältig den Umstand / die Frage, die zu dem Gleichnis geführt hat.
  17. Achte auf die Antwort der Jünger, der Pharisäer und aller anderen, die das Gleichnis gehört haben. Wie Jesus sagte, waren seine Gleichnisse dazu bestimmt, sowohl zu offenbaren als auch zu verbergen.

Apostelgeschichte

Lukas hatte nie die Absicht, dass die Apostelgeschichte für sich allein steht. Wie Lukas selbst ausdrücklich feststellt:
Den ersten Bericht habe ich verfasst, o Theophilus, über alles, was Jesus anfing zu tun und zu lehren, bis zu dem Tag, da er in den Himmel aufgenommen wurde, nachdem er den Aposteln, die er erwählt hatte, durch den Heiligen Geist Befehl gegeben hatte. —Apostelgeschichte 1:1–2, Hervorhebungen von mir
Das "erste Buch" ist das Lukasevangelium, und dort zeichnete er auf, was Jesus zu tun begann. In der Apostelgeschichte, dem zweiten Band, geht es darum, was Jesus weiterhin tat und lehrte.² In der Apostelgeschichte hören wir das Zeugnis über das Werk unseres auferstandenen, aufgefahrenen und regierenden Herrn Jesus.

Auf Christus fokussiert

Werfen wir einen genaueren Blick darauf, wie die Apostelgeschichte Christus und sein fortgesetztes Werk durch seine Apostel verkündet:
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Schlüssel zur Auslegung der Apostelgeschichte:

  1. Bestimme Grenzen und interpretiere Episoden.
  2. Suche nach dem Kommentar und / oder den zusammenfassenden Aussagen des Erzählers und dem Ende einer Episode.
  3. Suche nach Veränderungen von Zeit, Ort, Hauptfigur(en) und Themen.
  4. Erkenne, wie diese Episode in die größere Geschichte passt.
  5. Suche nach den thematischen Fäden, die sich durch mehrere Einheiten ziehen und sie miteinander verbinden.
  6. Fokussiere auf Jesus.
  7. Der Herr Jesus ist immer die Hauptfigur.
  8. In der Apostelgeschichte wirkt er vor allem durch seinen Heiligen Geist im Zeugnis seiner apostolischen Vertreter.
  9. Unterscheide zwischen Beschreibung und Vorschreibung.
  10. Beachte, wie die Gemeinde wächst.
  11. Beachte die einzigartige und exklusive Rolle der Apostel.
  12. Beachte die zentrale Bedeutung des Evangeliums (Apostelgeschichte 2:42-47; 6:7; 12:24).
  13. Beachte die Rolle des Leidens.
  14. Fasse den Hauptkonflikt zusammen.
  15. Wird der Konflikt gelöst? Wie?
  16. Wie schreitet das Evangelium voran?
  17. Fasse die Hauptbotschaft zusammen.
  18. Achte besonders auf den Inhalt der Predigten sowie auf die zusammenfassenden Aussagen des Erzählers.
  19. Sei vorsichtig dabei, biblische Charaktere immer als Verhaltens-Vorbilder zu sehen. Sie sind nicht immer gute Vorbilder!
  20. Was sagt uns diese Episode über Gott und seine Verheißungen?

Bibelauslegung