Die biblische Theologie ist der erste Zweig des theologischen Baumes. Zusammen mit der systematischen Theologie ermöglicht sie uns, bei der Auslegung eines Bibelabschnitts die ganze Bibel anzuwenden.
Bib|li|sche Theo|lo|gie Substantiv, feminin
Biblische Theologie untersucht, wie die ganze Bibel voranschreitet, zusammenläuft und in Christus ihren Höhepunkt erreicht. ¹
Die biblische Theologie hat einen narrativen Fokus. Sie nimmt einen Abschnitt der Schrift und untersucht ihn im Licht der biblischen Erlösungsgeschichte. Diese Geschichte ist der Handlungsstrang der gesamten Bibel, die in der Person und dem Werk Jesu Christi gipfelt.
Prinzip: Lege die Bibel von der geschichtlichen Entwicklung her aus. Verstehe, wo sich der Text in der Geschichte der Erlösung durch Christus befindet.
Biblisches Beispiel
15 Brüder, ich rede nach Menschenweise: Sogar das Testament eines Menschen hebt niemand auf oder verordnet etwas dazu, wenn es bestätigt ist. 16 Nun aber sind die Verheißungen dem Abraham und seinem Samen zugesprochen worden. Es heißt nicht: »und den Samen«, als von vielen, sondern als von einem: »und deinem Samen«, und dieser ist Christus. 17 Das aber sage ich: Ein von Gott auf Christus hin zuvor bestätigtes Testament wird durch das 430 Jahre danach entstandene Gesetz nicht ungültig gemacht, so dass die Verheißung aufgehoben würde. 18 Denn wenn das Erbe durchs Gesetz käme, so käme es nicht mehr durch Verheißung; dem Abraham aber hat es Gott durch Verheißung geschenkt.
19 Wozu nun das Gesetz? Der Übertretungen wegen wurde es hinzugefügt, bis der Same käme, dem die Verheißung gilt, und es ist durch Engel übermittelt worden in die Hand eines Mittlers. 20 Ein Mittler aber ist nicht Mittler von einem; Gott aber ist einer.21 Ist nun das Gesetz gegen die Verheißungen Gottes? Das sei ferne! Denn wenn ein Gesetz gegeben wäre, das lebendig machen könnte, so käme die Gerechtigkeit wirklich aus dem Gesetz. 22 Aber die Schrift hat alles unter die Sünde zusammengeschlossen, damit die Verheißung aufgrund des Glaubens an Jesus Christus denen gegeben würde, die glauben.
23 Bevor aber der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetz verwahrt und verschlossen auf den Glauben hin, der geoffenbart werden sollte. 24 So ist also das Gesetz unser Lehrmeister geworden auf Christus hin, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden. 25 Nachdem aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Lehrmeister; 26 Denn ihr alle seid durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus; 27 denn ihr alle, die ihr in Christus hinein getauft seid, ihr habt Christus angezogen. 28 Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Knecht noch Freier, da ist weder Mann noch Frau; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus. 29 Wenn ihr aber Christus angehört, so seid ihr Abrahams Same und nach der Verheißung Erben.
—Galater 3:15–29
In Galater 3:15-29 behauptet Paulus, dass Gottes Segen nicht durch das Halten des Gesetzes, sondern durch den Glauben an die Verheißungen empfangen wird. Dies liegt daran, dass der mosaische Bund Gottes frühere Verheißung im abrahamitischen Bund nicht zunichte machte, sondern Gottes Volk vorübergehend für genau diese Verheißung bewahrte. Aber jetzt ist Christus gekommen, um das zu erfüllen, was Gott Abraham versprochen hat. Die Beschneidung, eine Anforderung des Gesetzes, kann also nicht der Weg sein, Gottes Segen zu empfangen, sondern Glaube.²
Es gibt drei Arten, wie Paulus die biblische Theologie in diesem Abschnitt verwendet:
1. Paulus sieht Christus als den Erben der Verheißungen Gottes (3:16).
Der letztendliche Erbe des abrahamitischen Bundes waren nicht Isaak und seine buchstäblichen Nachkommen, sondern Christus und diejenigen, die an ihn glauben. Paulus blickte entlang des Bogens der Erlösungsgeschichte und sah Christus als die endgültige Erfüllung des abrahamitischen Bundes. Die biblische Theologie betrachtet, wie die Muster und Verheißungen der Bibel in Christus gipfeln. (Lektion 7 kehrt zu diesem Auslegungsprinzip zurück.)
2. Paulus gibt dem abrahamitischen Bund Vorrang über dem Mosaischen Bund (3:17-22).
Paulus liest die Geschichte der Bibel sorgfältig. Da der abrahamitische Bund zuerst geschlossen wurde, konnte der mosaische Bund ihn nicht aufheben. Vielmehr war das Gesetz nur eine vorübergehende Einschränkung, bis der Empfänger von Gottes Verheißung, Jesus Christus, in die Welt kam (3:19). Es war ein Lehrmeister oder Vormund, der über Gottes Volk wachte, während es minderjährig war. Das Gesetz war nie dazu bestimmt, dauerhaft zu sein – aber die Verheißung war dauerhaft. Die biblische Theologie interpretiert die Schrift entsprechend ihrer eigenen Erlösungsgeschichte.
3. Paulus stellt seine Leser an ihren richtigen Platz in der Erlösungsgeschichte (3:23-29).
Als Ergebnis der vorhergehenden Wahrheiten behauptet Paulus, dass heidnische Gläubige Gottes Segen nicht suchen sollen, indem sie dem mosaischen Gesetz folgen, da sie in der Zeit nach dem Gesetz lebten, einer Ära, die auf das Kommen Christi folgte, der den abrahamitischen Bund erfüllte. Jetzt waren sie reife Erwachsene, keine Minderjährigen, und brauchten daher nicht die Vormundschaft des Gesetzes. Sie hatten den verheißenen Segen empfangen und waren durch ihre Vereinigung mit Jesus Christus Erben Gottes geworden.
In diesem biblischen Beispiel sehen wir, wie wichtig es ist, jede Schriftstelle mit Blick darauf zu lesen, wie die Geschichte in Jesus Christus gipfelt. Die biblische Theologie hilft uns auch zu erkennen, wie wichtig es ist, jede Passage anzuwenden, indem wir unseren eigenen Platz in der Erlösungsgeschichte betrachten.
Wie biblische Theologie funktioniert: Verwende die Geschichte der Bibel
Chris Bruno illustriert die Arbeit der biblischen Theologie:
Die verschiedenen Teile der Bibel in die ganze Geschichte einzufügen, ist wie ein Puzzle. Wenn ich über die Geschichte der Bibel unterrichte, erinnere ich die Leute manchmal daran, dass das Wissen um diese Geschichte so ist, als hätte man die Puzzle-Box mit dem Bild darauf. Wenn wir uns die einzelnen Stücke ansehen, können wir auf das Gesamtbild zurückblicken und ein Gefühl dafür bekommen, wie alles zusammenpasst.
—Chris Bruno, The Whole Message of the Bible in 16 Words, 115, meine Übersetzung
Um mit der Anwendung der biblischen Theologie in deinem persönlichen Bibelstudium zu beginnen, finde heraus, wo sich dein Abschnitt im größeren Handlungsstrang der Bibel befindet.
Das folgende englische Video umreißt in einer Minute die größte Geschichte. Um die deutsche Übersetzung zu sehen, schalte die deutschen Untertitel ein.
Ein Abriss der biblischen Erlösungsgeschichte
Schöpfung (1. Mose 1– 2)
Die Schrift beginnt mit einem Porträt, das die Grundlage für eine biblische Weltanschauung bildet: Gott ist der Schöpfer von allem. Die Erde zeigt seine Herrlichkeit in ihrer wundervollen, zielgerichteten Gestaltung. Gott schuf Adam und Eva auf einzigartige Weise nach seinem Bild und rief sie auf, den Rest der Schöpfung zu verwalten. Gott schuf die Menschheit, damit sie die Gemeinschaft mit ihm genießen.
Fall (und Auswirkungen) (1. Mose 3 – 11)
Aber Adam rebelliert und in ihm fällt die Menschheit in Sünde und Finsternis. Adams Sünde führt zu einem Menschengeschlecht, das von persönlicher Rebellion und gemeinsamer Schuld durchdrungen ist. Infolgedessen richtet Gott die Menschheit, indem er die Schöpfung mit dem Tod verflucht (1. Mose 3:14-19; Römer 8:20). Die Folgen der Sünde sind verheerend, einschließlich des globalen Gerichts und der Erneuerung durch die Sintflut. Der Abschnitt endet mit einer Szene, in der die Menschheit in Babel kollektiv rebelliert. Aber der Fluch wird nicht das letzte Wort sein. In 1. Mose 3:15 versprach Gott, die Finsternis durch einen rettenden Sohn zu überwinden.
Erlösung
Abraham und die Patriarchen (1. Mose 12 – 50)
Auf der Grundlage dieser ersten Verheißung des Evangeliums tritt Gott mit einem weiteren Wort der Hoffnung in Abrahams Leben hinein. Abraham antwortet im Glauben, und Gott beginnt, sein Versprechen zu erfüllen, ihm ein Land und eine Familie zu geben. Gott beabsichtigt, alle Familien der Erde durch Abrahams Samen zu segnen. Diese Verheißung wird an Abrahams Sohn, Isaak, und dann an Isaaks Sohn Jakob weitergegeben, trotz ihrer schweren Fehler. Dies offenbart, dass Gottes Bundesverheißungen sicher und nicht von menschlicher Tugend abhängig sind.
Mose und Israel (2. Mose – 5. Mose)
1. Mose endet damit, dass sich Abrahams Nachkommen in Ägypten niederlassen mit der Verheißung, dass Gott sie zu einer Nation machen würde. Die Sicherheit in Ägypten ist nicht von Dauer, und die Menschen werden schließlich in die Sklaverei gezwungen. Generationen vergehen (400 Jahre) ohne Hoffnung auf Freiheit, bis Gott einen erweckt, der sie aus der Hand des Pharao befreien wird: Mose. Gott rettet diese Familie, jetzt eine ganze Nation, auf wundersame Weise durch das Blut der Passahlämmer. Er erweist sich als treu zu seinen Verheißungen und ruft sie zu einem auf ihn ausgerichteten Leben auf. Wenn sie ihm gehorchen wollen, verspricht Gott weiter, dass sie sein "besonderes Eigentum ... ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk" sein würden (2. Mose 19:5-6), damit sie ein Licht für alle Nationen seien. So schließt Gott einen Bund mit ihnen. Sein Gesetz und seine heilige Gegenwart sollen jeden Aspekt ihres Lebens bestimmen. Aber die Exodus-Generation weigert sich schließlich, Gott zu vertrauen und ihm im Gehorsam zu folgen, und so gehen sie in der Wüste zugrunde. Moses führt die nächste Generation an die Grenze des Landes, das Abraham und seiner Familie verheißen wurde. Bevor sie unter Josuas Führung eintreten, ermahnt Mose sie und stirbt dann außerhalb des Gelobten Landes.
Im Land der Verheißung (Josua – Ruth)
Das Volk betritt das Land mit großer Hoffnung und Erwartung. Gott gibt ihnen Ruhe, und keine seiner Verheißungen an sie scheitert (Josua 21:43-45). Doch innerhalb einer Generation verbreiten sich Götzendienst und Ungehorsam. Durch aufeinanderfolgende Generationen (eine weitere Zeitspanne von 400 Jahren) lehnen sie Gottes Anweisung ab und übernehmen die Werte der Welt in einer Abwärtsspirale, bis sie am Ende der Richter kaum mehr als Volk Gottes erkennbar sind.
Ein König über Israel (1. Samuel – 2. Chronik, Psalmen und Weisheitsbücher, frühe Propheten)
Nachdem sie Gott jahrhundertelang durch Götzendienst und Ungehorsam als König abgelehnt haben, verlangen die Israeliten einen menschlichen König nach dem Vorbild der umliegenden Nationen. Gott gewährt nicht nur einen König, sondern setzt schließlich ihre Rebellion mit überwältigender Gnade außer Kraft: Wieder einmal gibt er große und kostbare Verheißungen, diesmal durch einen Bund mit David. Er erklärt Davids Thron für ewig und verspricht, durch Davids Sohn Frieden auf der Erde zu errichten. Hier ist die Verheißung von Gottes Gesalbtem, dem Messias. Aber die Geschichte von Davids Nachkommen entwickelt sich als eine weitere Abwärtsspirale in bösen Götzendienst. Israels Könige und sein Volk verlassen Gott völlig. Gott sendet viele Propheten, um die Menschen an seine Verheißungen zu erinnern, um sie für ihre Sünden zur Rechenschaft zu ziehen und schließlich um ihnen Mut zu machen. Obwohl sie untreu waren, bleibt Gott seiner Bundesliebe absolut verpflichtet.
Exil und Rückkehr (Esra – Esther und die späteren Propheten)
Israels Rebellion führt zu Gottes Disziplin. Gott vertreibt Israel aus dem Gelobten Land und aus seiner Gegenwart. Er sendet mächtige Nationen, die sowohl das Volk als auch das Land dezimieren, den Tempel und die Stadt Jerusalem zerstören und das Volk nach Babylonien verschleppen. Nach 70 Jahren gibt er Gnade zur Wiederherstellung eines Überrests im Gelobten Land. Während dieser ganzen Zeit predigen die Propheten weiter und weisen den Weg nach vorn: Ihre einzige Hoffnung liegt auf dem Messias, der einen neuen Bund schließen wird. Durch die Person und das Werk des Messias würde Gott alle Verheißungen erfüllen, die er zuvor Abraham, Moses und David gegeben hatte.
Der Messias und der Neue Bund (Evangelien)
Das Neue Testament beginnt mit vier glaubwürdigen Berichten über das Leben, den Dienst, den Tod und die Auferstehung Jesu. Das ist das Evangelium – die gute Nachricht von dem, was Gott in und durch diesen Mann getan hat. Gottes ewiger Sohn nimmt einen menschliches Körper an. Jesus ist der verheißene Messias (Christus ist das griechische Wort für Messias, d.h. Gesalbter). Durch sein Leben in sündloser Vollkommenheit erfüllt er alle Gerechtigkeit. In seinem Tod trägt er Gottes Zorn gegen die menschliche Sünde. Durch seine Auferstehung gewinnt er das ewige Leben für sein Volk.
Die Gemeinde und ihr Auftrag, die Welt zu evangelisieren (Apostelgeschichte – Judas)
Der auferstandene Christus setzt sich zur Rechten des Thrones Gottes und gießt seinen Heiligen Geist über seine Gemeinde aus. In Christus gekleidet und mit seinem Geist erfüllt, gehen die Apostel zusammen mit allen, die an ihre Botschaft glauben, hinaus in die Welt und verkünden Christus als Herrn. Der Herr fügt alle gläubigen Juden und Heiden zu seiner Gemeinde hinzu, denn da Christus das wahre Israel ist, sind alle, die glauben, gleichermaßen Gottes Volk. In ihre Herzen schreibt Gott seinen Neuen Bund, der jetzt der Bezugsrahmen für ein gottgefälliges Leben ist.
Vollendung (Offenbarung)
Die Gemeinde wartet auf die Rückkehr Jesu, und muss dabei im Glauben ausharren, während die Sünde lockt, die Finsternis täuscht und die Verfolgung kommt. Aber Gott wird alle seine Verheißungen gegenüber seinem Volk Israel und gegenüber der Gemeinde erfüllen, und er wird dies durch Jesus tun. Christus allein ist dieser Aufgabe würdig. Viele werden weiterhin gegen Gott rebellieren, indem sie Christus ablehnen. Aber am Ende werden Christus und sein Volk über alle Feinde Gottes triumphieren, auch über Satan, die Nationen und sogar den Tod selbst. Gott wird seine Feinde mit dem ewigen Tod verfluchen, aber er wird diejenigen, die zu Christus gehören, mit ewigem Leben in einer ewigen Stadt segnen, in der Jesus als König regiert.
Sobald du deinen Abschnitt richtig eingeordnet hast, stelle die folgenden Fragen:
Wie sollte der Platz in der biblischen Geschichte die Auslegung leiten? Hier solltest du überlegen, zu welchem Bund der Abschnitt gehört, wie eine frühere Offenbarung den Kontext oder einen Präzedenzfall für den Abschnitt liefert und wie eine spätere Offenbarung den Abschnitt erfüllt oder erklärt.
Gibt es Schlüsselthemen, Muster oder Symbole in dem Abschnitt, die eine Verbindung zu anderen Punkten der Erlösungsgeschichte herstellen? Einige Beispiele sind Tempel, Opfer, Sohnschaft, Ruhe, Land, Priestertum usw. In Lektion 7 erfahren wir, wie Themen, die sich durch die ganze Bibel ziehen, in Christus ihren Höhepunkt erreichen und durch Christus zur Gemeinde kommen.
Du bist an der Reihe
Lies 5. Mose 6:4-9 sorgfältig durch und beantworte dann der Reihe nach die folgenden Fragen:
4 Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein!
5 Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. 6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du auf dem Herzen tragen, 7 und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst; 8 und du sollst sie zum Zeichen auf deine Hand binden, und sie sollen dir zum Erinnerungszeichen über den Augen sein; 9 und du sollst sie auf die Pfosten deines Hauses und an deine Tore schreiben.
—5. Mose 6:4–9
Wo in der biblischen Geschichte ist dieser Abschnitt einzuordnen?
Dreizehn Lektionen, die als Kurs für eine Erwachsenen-Bibelklasse konzipiert sind, einschließlich Manuskripten und Handouts für jede Lektion
Im Folgenden findest du eine außergewöhnliche Darstellung der biblischen Geschichte, die nur die Worte der Schrift und Illustrierung verwendet. Sie wird dir helfen, das Gesamtbild auf der Puzzle-Box zu sehen.