Lektion 3: Auslegungsprinzipien von der Bibel lernen
Beispiel 2
Beschnittene Herzen
Lass uns eine zweite Fallstudie untersuchen, um unser Argument zu untermauern, dass die Bibel von uns erwartet, nach einer biblischen Hermeneutik zu streben. Als Jeremia den Menschen seiner Zeit weissagte, predigte er aus der bestehenden Schrift. Die Art und Weise, wie Jeremia Mose zitiert, ist ein Beweis dafür, dass der spätere Prophet auf die Schriften von Mose zurückblickte, um messianischen Themen nachzugehen. Sein Studium folgt einem von der Bibel selbst etablierten Auslegungsprinzip: Wir sollten im gesamten AT nach dem Messias suchen und erwarten, ihn zu finden. (Wir werden dieses Auslegungsprinzip in Lektion 7 entfalten).
Tatsächlich ist der Prophet Jeremia ein Beispiel dafür, was Petrus meinte, als er über die AT-Propheten schrieb: „Sie haben nachgeforscht, auf welche und was für eine Zeit der Geist des Christus in ihnen hindeutete…“ (1. Petrus 1:10-11). Die Fülle der Verbindungen, die Jeremia zu früheren Texten des AT herstellt, ist ein klarer Beweis dafür, dass er die ihm zur Verfügung stehenden Schriften sorgfältig nach Christus untersuchte, als er neue Offenbarungen empfing.¹ Betrachte zum Beispiel die folgenden Passagen.
Denn so spricht der Herr zu den Männern von Juda und zu Jerusalem:
Pflügt einen Neubruch
und sät nicht unter die Dornen!
Beschneidet euch für den Herrn
und beseitigt die Vorhaut eurer Herzen,
ihr Männer von Juda und ihr Einwohner von Jerusalem...
—Jeremia 4:3-4
Als Jeremia seine Zeitgenossen zur Umkehr aufruft, zitiert er direkt 5. Mose 10:16 und verwendet dabei die Redewendung: „So beschneidet nun die Vorhaut eures Herzens“. Aber Jeremias Verwendung dieses Gedankens geht tiefer, als nur ein schneidendes Wortbild zu zitieren. Er versteht, dass Mose eindeutig die Rebellion Israels und das daraus resultierende Gericht prophezeit.
Dann spricht Mose in 5. Mose 30 von einer Zeit der Wiederherstellung, die durch das einseitige, gnädige Werk Gottes geschehen wird. Mose verwendet das gleiche Wortbild der Herzensbeschneidung, aber diesmal ist es Gott allein, der ein Volk für sich selbst heiligt und absondert.
Es wird aber geschehen, wenn alle diese Worte über dich kommen werden, der Segen und der Fluch, die ich dir vorgelegt habe, und du es dir zu Herzen nimmst unter all den Heidenvölkern, unter die dich der Herr, dein Gott, verstoßen hat, und wenn du umkehrst zu dem Herrn, deinem Gott, und seiner Stimme gehorchst in allem, was ich dir heute gebiete, du und deine Kinder, von ganzem Herzen und von ganzer Seele, so wird der Herr, dein Gott, dein Geschick wenden und sich über dich erbarmen und wird dich wieder sammeln aus allen Völkern, wohin dich der Herr, dein Gott, zerstreut hat. ...
Und der Herr, dein Gott, wird dich in das Land zurückbringen, das deine Väter besessen haben, und du wirst es in Besitz nehmen, und er wird dir Gutes tun und dich mehren, mehr als deine Väter. Und der Herr, dein Gott, wird dein Herz und das Herz deiner Nachkommen beschneiden, dass du den Herrn, deinen Gott, liebst von ganzem Herzen und von ganzer Seele, damit du lebst.
—5. Mose 30:1-3, 5-6, Hervorhebungen von mir
Vergleiche nun diesen Text mit Jeremias Prophezeiung.
Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und zu mir flehen, und ich will euch erhören; ja, ihr werdet mich suchen und finden, wenn ihr von ganzem Herzen nach mir verlangen werdet; und ich werde mich von euch finden lassen, spricht der Herr. Und ich werde euer Geschick wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, zu denen ich euch verstoßen habe, spricht der Herr; und ich werde euch wieder an den Ort zurückbringen, von dem ich euch weggeführt habe.
—Jeremia 29:12-14, Hervorhebungen von mir
Ein anderer Autor bemerkt dazu:
Jeremia erhielt eine wunderschöne Offenbarung der Wiederherstellung Israels, voller Hoffnung, alles unter dem Banner eines neuen Bundes, den Gott mit seinem Volk durch den Messias schließen würde (Jeremia 29 - 33). Er erkennt jedoch an, dass Mose bereits auf diese Aspekte des neuen Bundes hingewiesen hatte, und zieht daher offen die Verbindungslinien zurück zu 5. Mose 30.
—Seth Postell, S. 35–36, siehe Fußnote, meine Übersetzung
Die obigen Beispiele zeigen insbesondere, dass AT-Autoren frühere AT-Passagen zitieren oder sich darauf beziehen, um messianische Themen zu entwickeln. Der auferstandene Herr sollte eines Tages fordern, dass alle Bibelausleger genau diesem Prinzip folgen:
Denn wenn ihr Mose glauben würdet, so würdet ihr auch mir glauben; denn von mir hat er geschrieben.
—Johannes 5:46
Er aber sagte ihnen:
Das sind die Worte, die ich zu euch geredet habe, als ich noch bei euch war, dass alles erfüllt werden muss, was im Gesetz Moses und in den Propheten und den Psalmen von mir geschrieben steht.
Da öffnete er ihnen das Verständnis, damit sie die Schriften verstanden, und sprach zu ihnen:
So steht es geschrieben, und so musste der Christus leiden und am dritten Tag aus den Toten auferstehen, und in seinem Namen soll Buße und Vergebung der Sünden verkündigt werden unter allen Völkern, beginnend in Jerusalem.
—Lukas 24:44-47
Jeremia und Jesus folgen und lehren das biblische Prinzip, dass wir im gesamten AT nach dem Messias suchen sollen und auch erwarten sollen, ihn zu finden (Johannes 5:46; Lukas 24:44-47). Wir werden dieses Prinzip in Lektion 7 ausführlicher erläutern. Vorerst brauchen wir nur zu beachten, dass Jeremia und Jesus beide der Hermeneutik der Bibel bei der Auslegung früherer Schriften folgen und dasselbe von uns verlangen.
Zum weiteren Studium darüber, wie das AT das AT verwendet, ziehe diese englischsprachige Ressource in Betracht. Dieser Artikel ist auf S. 30-40 des verlinkten PDFs.