Lektion 8: Der richtige Gebrauch der Schrift

AT Erzählung

Einer der berüchtigtsten und schädlichsten Missbräuche eines AT Erzähltextes gründete sich auf 1. Mose 9:20-27. In diesen Versen erzählt Mose, wie Ham, der Vater Kanaans, die Blöße seines Vaters sah und es seinen beiden Brüdern draußen erzählte (1. Mose 9:22). Nachdem Noahs andere Söhne ihn mit einer Decke bedeckt hatten, erwachte Noah und verfluchte Kanaan, Hams Sohn.
Bemerkenswerterweise benutzten einige diesen Text als Grundlage, um Gesellschaften nach Rassenhierarchien zu ordnen. In Ruanda zum Beispiel nutzten europäische Kolonisten diesen Text, um eine rassische Hierarchie zu etablieren. Der ruandische Autor Emmanuel M. Katongole erklärt:
Zusammen mit ihrer Geschichtsphilosophie brachten die Europäer die Idee der Rasse nach Afrika . . . Hutu und Tutsi existierten im vorkolonialen Ruanda als Rollen, die den Platz der Menschen in der Gesellschaft bestimmten. Aber die Europäer schrieben diesen Rollen biblische Erklärungen zu und bestanden darauf, dass sie in den körperlichen Merkmalen der Tutsis sehen konnten, dass sie Nachkommen von Semiten waren. Die gleiche "Wissenschaft", die zur Rechtfertigung der Sklaverei verwendet wurde, maß auch die Nasenbreite und berechnete die durchschnittliche Größe, um die Überlegenheit der Tutsi zu demonstrieren. Was ein fließendes System komplexer Beziehungen gewesen war, verwandelte sich schnell in eine Reihe vereinfachender Rassenkategorien, die die Tutsi-Minderheit als überlegen und die Hutu-Mehrheit als minderwertig definierten. —zitiert in “The Curse of Ham: How Bad Scripture Interpretation Inspired Genocide,” von Eliza Thomas, meine Übersetzung
Die Autorin Eliza Thomas erklärt dann, wie dieser Missbrauch der Bibel schließlich zum Völkermord in Ruanda beigetragen hat:
Diese Bezeichnungen wurden dann zum Rückgrat eines sozialen und politischen Systems, das von belgischen Kolonialisten kultiviert wurde und Tutsis gegenüber Hutus privilegierte. Dies war, wie Katongole genau bemerkt, "europäische Anthropologie der schlimmsten Art". Und mit der Verfestigung dieser importierten Stammesidentitäten über mehr als ein Jahrhundert schlugen auch Ressentiments und Hass Wurzeln. Letztendlich war die bittere Frucht des Völkermords das Ergebnis. —Eliza Thomas in “The Curse of Ham: How Bad Scripture Interpretation Inspired Genocide”, meine Übersetzung
Thomas fährt fort zu erklären, woher ein solch abscheulicher Gebrauch der Schrift kam.
Die Verwendung von 1. Mose 9 zur Rechtfertigung von Sklaverei und Rassenhierarchie wuchs aus einer bestimmten Sorte der europäischen Anthropologie, nicht aus einer gesunden Exegese des biblischen Textes. Diejenigen, die eine biblische Grundlage für die rassische Überlegenheit schaffen wollten, schlugen vor, dass Gott den Fluch von Ham und damit alle, die von ihm abstammten, sanktioniert und sie zu Sklaven degradiert hatte. Aber in 1. Mose 9:18-29 ist eines der bemerkenswertesten Elemente das Schweigen Gottes. Nicht Gott verfluchte Kanaan, Hams Sohn; Noah tat es. Und es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass auch Noah in dieser Geschichte, die durch seine eigene Trunkenheit in Gang gesetzt wurde, eine schuldige Partei war. Obwohl es nicht klar ist, dass der Fluch von Ham Teil von Gottes Plan war, ist es offensichtlich, dass alle drei Söhne von demselben Vater stammten - sie waren keine verschiedenen Rassen. —Eliza Thomas in “The Curse of Ham: How Bad Scripture Interpretation Inspired Genocide”, meine Übersetzung
Wie Thomas betont, missbrauchten diese falschen Lehrer 1. Mose 9, um ihre gottlosen theologischen Systeme und bösen Ziele zu rechtfertigen. Um dies zu tun, mussten sie die Bedeutung des Textes verdrehen, klare biblische Aussagen ignorieren, die ihrer Auslegung und Anwendung widersprachen (wie z.B. 1. Mose 1:26-27, 5. Mose 10:17-18 und Kolosser 3:10-11), und den Text in einer Weise anwenden, die seinem Zweck und seiner Bedeutung eindeutig fremd war.
Herr, befreie uns von solch abscheulichem, satanischem Missbrauch deines Wortes!

Biblische Vorbilder für den richtigen Gebrauch einer AT Erzählung

Wie sollten wir eine AT Erzählung richtig einsetzen?
Betrachte zwei biblische Vorbilder für den Gebrauch einer AT Erzählung. Das erste Beispiel stammt von Mose, und das zweite Beispiel kommt von Paulus. Beide Beispiele gebrauchen die AT Erzählungen von Israels Exodus und Wüstenwanderungen.

Beispiel #1 - Der Sabbatbefehl in 5. Mose 5

In 5. Mose 5:12–15 verbindet Mose die Erzählung von Israels Exodus mit dem Sabbatgebot. Werfen wir einen genaueren Blick darauf, wie Mose diese Erzählung gebrauchte:
Halte den Sabbattag und heilige ihn, wie es dir der HERR, dein Gott, geboten hat! Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun; aber am siebten Tag ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes; da sollst du kein Werk tun, weder du, noch dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Knecht, noch deine Magd, noch dein Rind, noch dein Esel, noch all dein Vieh, noch dein Fremdling, der innerhalb deiner Tore ist, damit dein Knecht und deine Magd ruhen wie du. Denn du sollst bedenken, dass du auch ein Knecht gewesen bist im Land Ägypten, und dass der HERR, dein Gott, dich von dort herausgeführt hat mit mächtiger Hand und ausgestrecktem Arm. Darum hat dir der HERR, dein Gott, geboten, dass du den Sabbattag halten sollst. –5. Mose 5:12–15

Notiere mindestens drei Arten, wie Mose die Exodus-Erzählung verwendete. Zum Beispiel verwendete er sie als eine wahre Geschichte, die wirklich geschah (5. Mose 5:15).

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Beispiel #2 - Paulus Warnung in 1. Korinther 10

In 1. Korinther 10:1-11 wendet der Apostel Paulus die Erzählungen von Israels Exodus und Wüstenwanderungen auf die Korinther an. Schauen wir uns genauer an, wie Paulus diese Erzählungen verwendete:
Ich will aber nicht, meine Brüder, dass ihr außer acht lasst, dass unsere Väter alle unter der Wolke gewesen und alle durch das Meer hindurchgegangen sind. Sie wurden auch alle auf Mose getauft in der Wolke und im Meer, und sie haben alle dieselbe geistliche Speise gegessen und alle denselben geistlichen Trank getrunken; denn sie tranken aus einem geistlichen Felsen, der ihnen folgte. Der Fels aber war Christus. Aber an der Mehrzahl von ihnen hatte Gott kein Wohlgefallen; sie wurden nämlich in der Wüste niedergestreckt. Diese Dinge aber sind zum Vorbild für uns geschehen, damit wir nicht nach dem Bösen begierig werden, so wie jene begierig waren. Werdet auch nicht Götzendiener, so wie etliche von ihnen, wie geschrieben steht: »Das Volk setzte sich nieder, um zu essen und zu trinken, und stand auf, um sich zu vergnügen«. Lasst uns auch nicht Unzucht treiben, so wie etliche von ihnen Unzucht trieben, und es fielen an einem Tag 23 000. Lasst uns auch nicht Christus versuchen, so wie auch etliche von ihnen ihn versuchten und von den Schlangen umgebracht wurden. Murrt auch nicht, so wie auch etliche von ihnen murrten und durch den Verderber umgebracht wurden. Alle diese Dinge aber, die jenen widerfuhren, sind Vorbilder, und sie wurden zur Warnung für uns aufgeschrieben, auf die das Ende der Weltzeiten gekommen ist. –1. Korinther 10:1-11

Notiere mindestens drei Arten, wie Paulus diese AT Erzählungen verwendet. Zum Beispiel verwendet Paulus diese Erzählungen über Israel, um diese Gemeinde vor Sünde zu warnen (1. Korinther 10:6).

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Der richtige Gebrauch von AT Erzählungen

Wie leitet uns die Bibel durch ihren eigenen Gebrauch der AT Erzählungen?
Das Beispiel der Bibel selbst ruft uns dazu auf, AT Erzählungen als wahre Geschichten zu verwenden, die
  • Gott offenbaren,
  • in Christus gipfeln
  • und die Gemeinde aufbauen.
Alle diese Dinge aber, die jenen widerfuhren, sind Vorbilder, und sie wurden zur Warnung für uns aufgeschrieben, auf die das Ende der Weltzeiten gekommen ist. –1. Korinther 10:11

Wahre Geschichten

Wir können nicht übersehen, dass die Bibel die Erzählungen des AT konsequent als wahr behandelt, die wirklich in der Geschichte passiert sind. Die Bibel behandelt AT Erzählungen nicht als Mythen, Fabeln, Fiktionen oder gar einseitige Ausschmückungen.¹ Mose rief Israel auf, sich an den Exodus als ein wahres Ereignis in der Geschichte zu erinnern (5. Mose 5:15). Paulus beschrieb diese Erzählungen als Ereignisse, die "jenen widerfuhren" (1. Korinther 10:11).
Auch wir sollten AT Erzählungen als wahre Geschichten verwenden, die treu und genau erzählen, was wirklich passiert ist.

offenbaren Gott

Die Bibel verwendet AT Erzählungen als Zeugnisse für Gottes Wesen und Charakter. Diese wahren Geschichten offenbaren Gott, indem sie erzählen, wer er ist und was er getan hat. Mose gebrauchte die Exodus-Erzählung, um den Sabbatbefehl zu begründen. Eine Art, wie die Erzählung das Gebot begründete, bestand darin, die Sorge des Herrn um die Verletzlichsten zu enthüllen. So wie der Herr Israel aus der grausamen Gefangenschaft des Pharaos befreite und ihnen Ruhe gewährte, so beabsichtigte er, dass ihn die Israeliten richtig repräsentierten, indem es allen in ihrem Haushalt Ruhe gewährten ( 5. Mose 5:15; 10:17-18).²
In ähnlicher Weise begründete Paulus seine Anweisungen, indem er sich auf den Charakter des Herrn berief, wie er durch diese AT Erzählungen offenbart wird. In Paulus Gebrauch offenbaren diese Erzählungen den heiligen Zorn des Herrn gegen Sünden wie Götzendienst, sexuelle Unmoral, "Christus auf die Probe stellen" und Murren (1. Korinther 10:6-11).
Bei der Entwicklung von Lehre und Ethik sollten auch wir die Erzählungen des AT als Berichte verwenden, die Gottes Charakter und Taten wahrheitsgetreu offenbaren.

gipfeln in Christus

Die Bibel gebraucht konsequent AT Erzählungen als Teile einer größeren Geschichte, die in Christus gipfelt. Selbst als Mose die Exodus-Erzählung gebrauchte, tat er dies in dem Wissen, dass Israel einen größeren Exodus aus der dunklen Herrschaft Satans, der Sünde und des Todes brauchte. Israel würde den Bund brechen und den Sabbat aufgeben (5. Mose 31:14 – 32:43), aber nachdem er sie in die Gefangenschaft zurückgeschickt hatte, würde der HERR einen noch größeren Exodus vollbringen (5. Mose 30:1–10; 32:43) durch einen Propheten wie Mose (5. Mose 18:14.20).³ Tatsächlich gebraucht die ganze Bibel die Exodus-Erzählung als Muster für die größere Errettung, die der Vater durch Christus vollbringen würde (Kolosser 1:13-14).
In ähnlicher Weise verwendete Paulus in 1. Korinther 10 die Exodus- und Wüstenerzählungen als wahre Geschichten, die in Christus gipfeln. Auf deutliche Weise sieht Paulus in diesen Erzählungen Christus als Herrn gegenwärtig (1. Korinther 10:4.9). Aber er interpretiert diese Erzählungen auch als Muster, die in Christus und seiner Gemeinde gipfeln (1. Korinther 10:11).
Auch wir sollten AT Erzählungen als Teil einer größeren Geschichte verwenden, die in Christus gipfelt und sich in der Gemeinde fortsetzt.⁴

bauen seine Gemeinde auf

Die Bibel gebraucht AT Erzählungen konsequent, um die Gemeinde Christi aufzubauen, zu unterweisen, zu ermutigen und zu warnen. Paulus bringt diesen Grundsatz in 1. Korinther 10:11 auf den Punkt: "Alle diese Dinge aber, die jenen widerfuhren, sind Vorbilder, und sie wurden zur Warnung für uns aufgeschrieben, auf die das Ende der Weltzeiten gekommen ist."
Weitere biblische Vorbilder: 5. Mose 4:1-4, Matthäus 19:1-12; Lukas 1:1 - 2:52; Apostelgeschichte 7:1-60; Galater 4:21-31; Hebräer 11:1 - 12:4; Offenbarung 2:20-23


Bibelauslegung