Diese Frage war von zentraler Bedeutung, als Jesus mit den Pharisäern und anderen, die ihn bekämpften, aneinandergeriet. Man bedenke nur, wie oft der richtige Gebrauch des Gesetzes allein im Markusevangelium auftaucht:
Markus 1:21-28: Jesus trieb am Sabbat einen unreinen Geist aus einem Mann aus.
Markus 1:40-45: Jesus heilte am Sabbat einen aussätzigen Mann und ermahnte ihn, zu befolgen, was Mose in Bezug auf die Reinigung befohlen hatte.
Markus 2:1-12: Jesus heilte einen gelähmten Mann, um den Pharisäern zu zeigen, dass er in Erfüllung des AT Opfersystems die Vollmacht hatte, Sünden zu vergeben.
Markus 2:23-27: Die Pharisäer kritisierten die Jünger Jesu dafür, dass sie am Sabbat taten, "was nicht erlaubt ist" (Markus 2:24). Jesus antwortete ihnen, indem er den Zweck der Sabbatgesetze lehrte.
Markus 3:1-6: Jesus heilte einen Mann am Sabbat, nachdem er die Pharisäer gefragt hatte: "Ist es nach dem Gesetz erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun, oder ist es ein Tag, um Böses zu tun? Ist dies ein Tag, um Leben zu retten oder zu vernichten?" (Markus 3:4 NLB). Die Pharisäer waren so erzürnt darüber, wie Jesus das Gesetz verwendete, dass sie "hinausgingen und sogleich mit den Herodianern Rat gegen ihn hielten, wie sie ihn umbringen könnten" (Markus 3:6).
Markus 6:14-29: Herodias schmiedete einen Plan, um Johannes den Täufer zu töten, weil er das Gesetz benutzte, um ihre Ehe mit König Herodes zu verurteilen.
Markus 7:1-23: Nachdem die Pharisäer Jesus zur Rede gestellt hatten, weil seine Jünger mit ungewaschenen Händen aßen, verurteilte Jesus ihren Gebrauch des Gesetzes, der "die Gebote Gottes" durch "ihre eigenen Vorschriften" ersetzte (Markus 7:8 NLB). Er fährt fort, alle Speisen für rein zu erklären (Markus 7:19).
Markus 10:1-10: Als die Pharisäer Jesus mit der Frage nach der Ehescheidung in eine Falle locken wollten, drehte er den Spieß um, indem er zeigte, wie die Pharisäer das Gesetz für ihre Ehe-Ethik missbrauchten.
Markus 11:12-26: Jesus verurteilte den Missbrauch des Tempels durch "die Schriftgelehrten und obersten Priester" (Markus 11:17-18).
Markus 12:28-34: Jesus fasste den Kern des Gesetzes als Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten zusammen.
Das ist natürlich nur ein kleiner Teil von allem, was Jesus in Bezug auf das Gesetz sagt und tut. Die vielleicht beste Zusammenfassung dessen, wie Jesus uns lehrt, das Gesetz anzuwenden, finden wir bei Matthäus:
Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen sei, um das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, um aufzulösen, sondern um zu erfüllen! Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergangen sind, wird nicht ein Buchstabe noch ein einziges Strichlein vom Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.
Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und die Leute so lehrt, der wird der Kleinste genannt werden im Reich der Himmel; wer sie aber tut und lehrt, der wird groß genannt werden im Reich der Himmel. Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten und Pharisäer nicht weit übertrifft, so werdet ihr gar nicht in das Reich der Himmel eingehen!
—Matthäus 5:17-20
Die Bibel ist voll von noch mehr Beispielen für diejenigen, die das Gesetz falsch und richtig angewendet haben. Das erste Gemeindekonzil trat in Jerusalem zusammen, um zu erörtern, wie sich heidnische Gläubige zum mosaischen Bund verhalten sollten (Apostelgeschichte 15). Paulus verurteilte überall in den Gemeinden Irrlehrer, die das Gesetz auf verschiedene Weise missbrauchten, um das Evangelium zu untergraben (Galater 3:1; Philipper 3:1-21; Kolosser 2:16-17; 1. Timotheus 1:3-11). Er konfrontierte sogar den Apostel Petrus, als dessen Missbrauch des Gesetzes ihn dazu brachte, vom Evangelium abzuweichen (Galater 2:14).
Doch Paulus benutzte das Gesetz auch, um Kinder dazu aufzurufen, ihren Eltern zu gehorchen (Epheser 6:1-3). Auch Petrus benutzte das Gesetz, um seine Gebote an die Christen zu begründen (1. Petrus 1:14-16). Der Autor des Hebräerbriefs forderte seine Leser auf, Christus nicht aufzugeben, indem sie zum alten Bund zurückkehrten (Hebräer 10:19-39), aber er benutzte die Muster und Verheißungen des Gesetzes, um Christus zu verherrlichen und sein Werk zu erklären.
Biblische Vorbilder für den richtigen Gebrauch eines AT Gebotes
Schauen wir uns die Verwendung der AT Gesetze in der Bibel anhand von zwei Beispielen genauer an: Markus 10:1-9 und Römer 9:30 – 10:12.
Beispiel 1 - Mose und die Ehe in Markus 10
In Markus 10:1-9 widerlegt Jesus die Pharisäer und demonstriert die richtige Anwendung des Gesetzes, nachdem sie versucht hatten, ihm mit einer Frage zur Ehescheidung eine Falle zu stellen. Schauen wir uns genauer an, wie Jesus das Gesetz in diesem Streitgespräch anwendet:
Und er brach auf von dort und kam durch das Land jenseits des Jordan in das Gebiet von Judäa. Und wieder kamen die Volksmengen zu ihm, und er lehrte sie wieder, wie er es gewohnt war.
Und die Pharisäer traten herzu und fragten ihn, um ihn zu versuchen: Ist es einem Mann erlaubt, seine Frau zu entlassen?
Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten?
Sie sprachen: Mose hat erlaubt, einen Scheidebrief zu schreiben und seine Frau zu entlassen.
Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: Wegen der Härte eures Herzens hat er euch dieses Gebot geschrieben. Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau erschaffen. »Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhängen; und die zwei werden ein Fleisch sein.« So sind sie nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden!
—Markus 10:1–9
In welcher Hinsicht wendet Jesus das Gesetz anders an als die Pharisäer?
Im Römerbrief zeigt Paulus auf, dass die Israeliten das Gesetz missbrauchten, indem sie es dazu benutzten, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten (Römer 9:32). Dann erklärt er, dass Christus von Anfang an der Zweck oder das Ziel des Gesetzes war (Römer 10:4). Schauen wir uns genauer an, wie Paulus in diesem Abschnitt den richtigen Gebrauch des Gesetzes lehrte und vorlebte.
Was wollen wir nun sagen? Dass Heiden, die nicht nach Gerechtigkeit strebten, Gerechtigkeit erlangt haben, und zwar die Gerechtigkeit aus Glauben, dass aber Israel, das nach dem Gesetz der Gerechtigkeit strebte, das Gesetz der Gerechtigkeit nicht erreicht hat. Warum? Weil es nicht aus Glauben geschah, sondern aus Werken des Gesetzes. Denn sie haben sich gestoßen an dem Stein des Anstoßes, wie geschrieben steht:
»Siehe, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Fels des Ärgernisses;
und jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden!«
Brüder, der Wunsch meines Herzens und mein Flehen zu Gott für Israel ist, dass sie gerettet werden. Denn ich gebe ihnen das Zeugnis, dass sie Eifer für Gott haben, aber nicht nach der rechten Erkenntnis. Denn weil sie die Gerechtigkeit Gottes nicht erkennen und ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten trachten, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen. Denn Christus ist das Ende des Gesetzes zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt.
Mose beschreibt nämlich die Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, so: »Der Mensch, der diese Dinge tut, wird durch sie leben«. Aber die Gerechtigkeit aus Glauben redet so:
Sprich nicht in deinem Herzen: Wer wird in den Himmel hinaufsteigen? — nämlich um Christus herabzuholen —
oder:
Wer wird in den Abgrund hinuntersteigen? — nämlich um Christus von den Toten zu holen.
Sondern was sagt sie? »Das Wort ist dir nahe, in deinem Mund und in deinem Herzen!« Dies ist das Wort des Glaubens, das wir verkündigen. Denn wenn du mit deinem Mund Jesus als den Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst, daß Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn mit dem Herzen glaubt man, um gerecht zu werden, und mit dem Mund bekennt man, um gerettet zu werden; denn die Schrift spricht:
»Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden!«
Es ist ja kein Unterschied zwischen Juden und Griechen: alle haben denselben Herrn, der reich ist für alle, die ihn anrufen, denn: »Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden«.
—Römer 9:30 — 10:13
Wie hat Israel laut Paulus das Gesetz missbraucht?
Notiere drei Arten, wie Paulus das Gesetz in diesen Versen verwendet (z. B. zitiert Paulus aus dem Gesetz, um sein Argument zu untermauern, dass wahre Gerechtigkeit aus dem Glauben kommt).
Wenn wir dem biblischen Gebrauch des Gesetzes in diesen Versen folgen wollen, müssen wir verstehen, was Paulus mit "...Christus ist das Ende des Gesetzes..." (Römer 10:4) meinte. Lies aufmerksam die folgenden Zitate, die verdeutlichen, was Paulus meinte.
Die Analogie einer Rennstrecke (was nach der Meinung vieler Gelehrter telos [Ziel] ausdrücken soll) ist hilfreich: Die Ziellinie ist sowohl das "Ende" des Rennens (das Rennen ist zu Ende, wenn sie erreicht ist) als auch das "Ziel" des Rennens (das Rennen wird um des Erreichens der Ziellinie willen gelaufen). Wir vermuten, dass Paulus in ähnlicher Weise andeutet, dass Christus das "Ende" des Gesetzes ist (er bringt das Zeitalter des Gesetzes zum Abschluss) und sein "Ziel" (er ist derjenige, den das Gesetz erwartete und auf den es hinwies). ... Wenn man der Meinung ist, dass "Ende" eine zu zeitliche Bedeutung hat, könnte man auch die Worte "Gipfel", "Erfüllung" oder "Höhepunkt" verwenden.
—Douglas J. Moo, Romans in the New International Commentary on the New Testament, meine Übersetzung
Demgegenüber zeigt der Apostel, dass es ein verkehrtes Verständnis des Gesetzes ist, wenn man durch Gesetzeswerke die Rechtfertigung zu erlangen sucht; denn das Gesetz ist uns im Gegenteil dazu gegeben, uns mit der Hand zu einer anderen Gerechtigkeit zu leiten. Alles, was es lehrt, was es vorschreibt, was es verheißt, hat immerzu Christus zum Richtpunkt, und deshalb muss auch alles Einzelne in ihm dahin ausgerichtet werden. Dies geschieht so, dass das Gesetz uns alle eigne Gerechtigkeit abspricht, zur Anerkennung unserer Sünde zwingt, und uns nichts übrig lässt, als dass wir Christus bitten, uns seine Gerechtigkeit zu schenken. ... Unsere Stelle ist darum so wichtig, weil sie deutlich ausspricht, dass das Gesetz in allen seinen Teilen auf Christus zielt. Die wirkliche Bedeutung und Absicht des Gesetzes kann niemand richtig verstehen, der nicht diesen Zielpunkt stetig im Auge behält.
—Johannes Calvin, Kommentar zu Römer 10:4
Der richtige Gebrauch des AT Gesetzes¹
Wie leitet uns die Bibel durch ihren eigenen Gebrauch des AT Gesetzes?
Das Beispiel der Bibel ruft uns dazu auf, das mosaische Gesetz als kontextbezogenes Gesetzbuch zu verwenden, das
Gott offenbart,
durch Christus erfüllt wird
und die Gemeinde in der Liebe unterweist.
Kontextbezogenes Gesetzbuch
In der Bibel wird das mosaische Gesetz durchweg als ein kontextbezogenes Gesetzbuch behandelt. Gott gab dieses Gesetzbuch dem AT Israel nach dem Exodus und vor Christus. In beiden obigen Beispielen wird das Gesetz in diesem Kontext verwendet. Bei der Erörterung der AT Gesetze über die Ehescheidung merkte Jesus an, dass diese Gesetze Israel in einem Kontext nach dem Sündenfall gegeben wurden, in dem es um Sünde und Herzenshärte ging. Er stellte dann 1. Mose in den Vordergrund, wo offenbart wird, was Gott wirklich mit der Ehe vorhat.
In Römer 10 erklärt Paulus, dass das Gesetz zu einem bestimmten Kontext in der Erlösungsgeschichte gehörte. Das Werk Christi beendete diese Epoche und damit auch den spezifischen Gebrauch der AT Gesetze als verbindliches Gesetzbuch für das Volk Gottes. Bei unserem eigenen Gebrauch des AT Gesetzes sollten wir der Bibel folgen, indem wir mit den AT Gesetzen als Teile eines kontextbezogenen Gesetzbuches umgehen, das Gottes Volk nicht mehr direkt bindet.
Offenbart Gott
AT Gesetze offenbaren Gott, indem sie zeigen, wer er ist und was er von seinem Bundesvolk will. Wir sehen dies an vielen Stellen in der Bibel, z. B. in Psalm 119, Markus 12:32-33, Römer 7:11-12 und 1. Petrus 1:15-16. In Markus 10 ging es Jesus nicht nur darum, Gottes Absicht für die Ehe aufrechtzuerhalten, sondern auch darum, den Charakter Gottes, der sich in der Ehe offenbart, zu wahren. Die Pharisäer missbrauchten diese Scheidungsgesetze, um leichtfertige und untreue Ehen zuzulassen. Jesus hingegen benutzte das Gesetz, um Gottes Charakter zu wahren und zu einer ehelichen Liebe aufzurufen, die ihn in rechter Weise widerspiegelt.²
In ähnlicher Weise benutzte Paulus das Gesetz in Römer 9-11, um Gottes Herrlichkeit zu offenbaren und zu rechtfertigen, insbesondere indem er auf die Befürchtung antwortete, dass "Gottes Wort hinfällig" sei (Römer 9:6). Paulus zeigte, dass die AT Gebote selbst offenbaren, dass Gott die Absicht hatte, sein Volk durch das Gesetz zu Christus zu führen und es durch den Glauben mit der Gerechtigkeit Christi zu versehen. Das Problem mit dem Gesetz war nicht Gott oder gar das Gesetz selbst. Das Problem bestand darin, dass das Volk das Gesetz in böser und törichter Weise missbrauchte, um ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten (Römer 9:30-33).
Bei unserem eigenen Gebrauch des AT Gesetzes sollten wir dem Beispiel der Bibel folgen, indem wir die AT Gebote als Offenbarungen von Gottes Charakter und seinem Willen für sein Volk betrachten. Zum Beispiel offenbaren die AT Gebote über die Rechte der Schwachen (z.B. 5. Mose 24:17-22) Gottes Herrschaft als Gott der Gerechtigkeit, der seine Macht einsetzt, um die Machtlosen zu lieben (5. Mose 10:12-22).
Das NT ist deutlich: Christus kam, um das Gesetz zu erfüllen ( Matthäus 5:17). Wir sehen dies deutlich in Römer 10:4: "Christus ist das Endziel des Gesetzes..." (Römer 10:4 ELB). Wie "Das Wort wurde Fleisch" erklärt, "hat er für uns das Gesetz gehalten", und nun leben wir auf der Grundlage seines Lebens und der Gerechtigkeit, die er durch die Erfüllung des Gesetzes erlangt hat (Römer 10:5-13).⁴ Die Gemeinde gehört zum Neuen Bund in Christus, und der Alte Bund ist erfüllt (Römer 10:4).
In Markus 10 hat Jesus verbindlich festgelegt, was die Ehe im Rahmen der Anforderungen des Neuen Bundes ist. Seine Lehre und sein Wirken erfüllen die AT Gebote über Ehescheidung und Ehe, indem er (1) deren Absicht erfüllt und (2) seinen Geist zur Verfügung stellt, damit sein Volk das verwirklichen kann, was Gott für die Ehe vorsieht. Wir sehen, wie er in ähnlicher Weise in Bezug auf den Sabbat, die Speisegesetze und den Tempel handelt. AT Gesetze sind kontextgebundene Gesetze, die uns nicht mehr direkt binden. Christen gehören dem Neuen Bund an. Das Gesetz Christi bindet uns. Wir können die AT Gesetze anwenden, aber um dies richtig zu tun, dürfen wir sie nur so anwenden, wie sie Gott offenbaren und wie sie durch Christus zu uns kommen.⁶
Unterweist in der Liebe
Die Bibel definiert die AT Gesetze als verschiedene Ausprägungen von zwei Grundgesetzen: die ganzherzige Liebe zu Gott (5. Mose 6:4-9) und die selbstlose Liebe zum Nächsten (3. Mose 19:18):
Da trat einer der Schriftgelehrten herzu, der ihrem Wortwechsel zugehört hatte, und weil er sah, daß er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das erste Gebot unter allen?
Jesus aber antwortete ihm: Das erste Gebot unter allen ist: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist Herr allein; und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft!« Dies ist das erste Gebot. Und das zweite ist ihm vergleichbar, nämlich dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!« Größer als diese ist kein anderes Gebot.
Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Recht so, Meister! Es ist in Wahrheit so, wie du sagst, dass es nur einen Gott gibt und keinen anderen außer ihm; und ihn zu lieben mit ganzem Herzen und mit ganzem Verständnis und mit ganzer Seele und mit aller Kraft und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer!
Und da Jesus sah, dass er verständig geantwortet hatte, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes! Und es getraute sich niemand mehr, ihn weiter zu fragen.
—Markus 12:28-34
Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder; nur macht die Freiheit nicht zu einem Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander durch die Liebe. Denn das ganze Gesetz wird in einem Wort erfüllt, in dem: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. Wenn ihr einander aber beißt und fresst, so habt acht, dass ihr nicht voneinander aufgezehrt werdet!
—Galater 5:13-15
Die AT Gebote zeigen, was die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten im alten Israel erforderten. Daher sollten wir diese Gesetze nutzen, um die Gemeinde heute in der Liebe zu unterweisen. Dazu müssen wir drei Schritte unternehmen:⁷
Bestimmen, wie ein bestimmtes Gebot die Liebe zu Gott und zum Nächsten ausdrückt.
Verstehen, wie Christus dieses besondere Gebot erfüllt hat.
Überlegen, wie dieses Gebot durch Christus zu uns kommt und uns so lehrt, was Gottes- und Nächstenliebe bedeutet.
Andere biblische Vorbilder, die du berücksichtigen solltest: Psalm 119, Micha 6:8, Matthäus 23:23-24; Apostelgeschichte 15; Galater 5:13-15; Kolosser 2:16-17.
Fragen zum richtigen Gebrauch des Gesetzes
Im Westen werden bibeltreue Christen heute häufig mit dem konfrontiert, was als inkonsequente Anwendung des Gesetzes empfunden wird. Die Fragesteller verweisen auf AT Gebote über Lebensmittel oder Stoffe und fragen, warum Christen diese Gebote scheinbar ignorieren, während sie andere AT Gebote über Sexualität verwenden, um ihre Sexualethik zu begründen. Dr. Russell Moore beantwortet diesen Einwand im Folgenden auf hilfreiche Weise (siehe unten das englischsprachige Video):
Manchmal fragen Menschen, die mit evangelikalen Christen und anderen orthodoxen Christen in Fragen der Sexualität nicht übereinstimmen: "Warum ignoriert ihr beispielsweise das Essen von Schalentieren?" Und sie verweisen auf den levitischen Gesetzestext oder auf andere Stellen, über die wir noch sprechen werden, über das, was das Volk Gottes essen oder nicht essen, tragen oder nicht tragen darf.
In Wirklichkeit aber ignorieren Christen diese Stellen der Heiligen Schrift nicht. Vielmehr stehen diese Schriftstellen im Zusammenhang mit dem Rest der Schrift, in der die Gründe für diese Dinge klar dargelegt werden.
Wenn es zum Beispiel um das Speisegesetz geht, ist die Schrift ganz klar, dass es dazu dient, Israel bis zum Kommen Christi als heiliges Volk vom Rest der Nationen abzusondern. Aber sobald Jesus von den Toten auferweckt wird und seinen Geist ausgießt und die Gemeinde beginnt, sowohl Juden als auch Heiden einzuschließen und eine multinationale Körperschaft zu werden, ist eine der ersten Krisen, die die Gemeinde hat, die Frage: "Wie gehen wir damit um? Was sagen wir den Nichtjuden?" Und was tut die Gemeinde? Die Gemeinde erkennt den besonderen Grund für diese Zeremonialgesetze in einer Weise an, die sich von den Kategorien, die Gott für das, was moralisch und unmoralisch ist, deutlich unterscheidet.
In der Heiligen Schrift gibt es einen Unterschied zwischen dem, was gewöhnlich und heilig ist, und dem, was falsch und richtig ist, oder dem, was sündig und gerecht ist. Und so spricht die Heilige Schrift über Sexualität in Bezug auf unsere Schöpfung, was es bedeutet, männlich und weiblich zu sein, was es bedeutet, ein Ebenbild Gottes zu sein, was es bedeutet, dem Gesetz Gottes treu zu sein, und sie spricht über die Zeremonialgesetze in einer ganz anderen Weise, weshalb Apostelgeschichte 15 zu den Heiden sagt: "Es wird nicht von euch erwartet, dass ihr beschnitten werdet. Es wird nicht von euch erwartet, dass ihr bestimmte Speisen meidet. Es wird von euch nicht erwartet, dass ihr bestimmte Tage und Feste feiert, aber es wird von euch erwartet, dass ihr ein Leben in sexueller Reinheit führt."
Das ist also ganz und gar nicht widersprüchlich. Menschen, die behaupten, dass Christen diese Stellen der Heiligen Schrift einfach ignorieren oder nicht beachten, haben nicht verstanden, wie Christen die Bibel schon immer gelesen haben.
—Russell Moore, How to Apply Old Testament Law, , meine Übersetzung