Wir müssen auch die Urheberschaft der Heiligen Schrift berücksichtigen. Wie alle Aspekte der Hermeneutik ist auch dies eine Brille, durch die wir lesen und auslegen. Wenn diese Brille schlecht ist, leidet unsere Auslegung stark.
Manche Leute verstehen die Bibel aus rein menschlichem Ursprung. Das heißt, sie wurde von Menschen mit einzigartigen Persönlichkeiten und Erfahrungen geschrieben, die die Welt und Gott auf unterschiedliche Weise verstanden und einfach ihre persönliche religiöse Erfahrung festgehalten haben. Andere verstehen die Bibel aus rein göttlichem Ursprung. Sie bestehen darauf, dass Gott allein jedes Wort niederschrieb, was den menschlichen Autor zu einem reinen Schreiber degradiert, dem der wahre Autor - Gott - die Worte diktierte.
Das sind zwei sehr unterschiedliche Brillen. Welche davon ist richtig? Keine und beide.
Die Bibel lehrt uns, eine dritte Brille zu verwenden – eine, die sowohl ihre menschliche als auch ihre göttliche Urheberschaft berücksichtigt.
Der menschliche und göttliche Ursprung der Bibel
Menschen redeten von Gott her ...
Erstens macht die Bibel ihre menschliche Urheberschaft durch Psalmtitel, Bucheinführungen und Briefgrüße deutlich.
Ein Psalm Davids, als er vor seinem Sohn Absalom floh.
—Psalm 3:1
Dies sind die Worte, welche Amos, der unter den Hirten von Tekoa war, über Israel geschaut hat in den Tagen von Ussija, dem König von Juda, und in den Tagen von Jerobeam, dem Sohn des Joas, dem König von Israel, zwei Jahre vor dem Erdbeben.
—Amos 1:1
Nachdem viele es unternommen haben, einen Bericht über die Tatsachen abzufassen, die unter uns völlig erwiesen sind, wie sie uns diejenigen überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind, so schien es auch mir gut, der ich allem von Anfang an genau nachgegangen bin, es dir der Reihe nach zu beschreiben, vortrefflichster Theophilus, damit du die Gewissheit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist.
—Lukas 1:1–4
Das ist mein, des Paulus, handschriftlicher Gruß.
—1. Korinther 16:21
... getrieben vom Heiligen Geist
Die Bibel macht ihre göttliche Urheberschaft deutlich, indem sie sich selbst als „Wort Gottes“ bezeichnet und Gott als Sprecher zitiert, selbst wenn sie Worte menschlicher Autoren zitiert.
Und das Wort des HERRN erging an mich folgendermaßen...
—Jeremia 1:4
Und als sie es hörten, erhoben sie einmütig ihre Stimme zu Gott und sprachen: Herr, du bist der Gott, der den Himmel und die Erde und das Meer gemacht hat und alles, was darinnen ist. Du hast durch den Mund deines Knechtes David gesagt: »Warum toben die Heiden und ersinnen die Völker Nichtiges?” [Zitat aus Psalm 2]
—Apostelgeschichte 4:24-25
Von den Engeln zwar sagt er: »Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen«; aber von dem Sohn: »Dein Thron, o Gott, währt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Das Zepter deines Reiches ist ein Zepter des Rechts.
—Hebräer 1:7-8, Zitat aus Psalm 104 und Psalm 45
Die unausweichliche Lehre der Bibel
Somit lehrt die Bibel sowohl menschliche als auch göttliche Urheberschaft. Am interessantesten ist jedoch, wie diese beiden Realitäten in der direkten Lehre der Bibel zu diesem Thema zusammenkommen. Es gibt zwei Schlüsseltexte, die ausdrücklich Gottes letztendliche Autorschaft der gesamten Schrift lehren. In beiden Fällen ist diese Behauptung von den persönlichen Aussagen und Mahnungen des menschlichen Autors umgeben. Diese Kombination macht folgende Schlussfolgerung unausweichlich: Die Bibel lehrt sowohl ihre menschliche als auch ihre göttliche Urheberschaft.
Denn wir haben euch die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundgetan, nicht indem wir ausgeklügelten Fabeln folgten, sondern weil wir Augenzeugen seiner herrlichen Größe gewesen sind. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der erhabenen Herrlichkeit eine solche Stimme an ihn erging: »Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.« Und diese Stimme hörten wir vom Himmel her ergehen, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren. Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester, und ihr tut gut, darauf zu achten als auf eine Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet, bis der Tag anbricht und der Morgenstern in euren Herzen aufgeht, indem ihr dies zuerst wisst, dass keine Weissagung der Schrift aus eigener Deutung geschieht. Denn niemals wurde eine Weissagung durch den Willen eines Menschen hervorgebracht, sondern von Gott her redeten Menschen, getrieben von Heiligem Geist.
—2. Petrus 1:16-21, Elberfelder-Übersetzung 2016, Hervorhebungen von mir
Du aber bist mir nachgefolgt in der Lehre, in der Lebensführung, im Vorsatz, im Glauben, in der Langmut, in der Liebe, im standhaften Ausharren, in den Verfolgungen, in den Leiden, wie sie mir in Antiochia, in Ikonium und Lystra widerfahren sind. Solche Verfolgungen habe ich ertragen, und aus allen hat mich der Herr gerettet! Und alle, die gottesfürchtig leben wollen in Christus Jesus, werden Verfolgung erleiden. Böse Menschen aber und Betrüger werden es immer schlimmer treiben, indem sie verführen und sich verführen lassen. Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und was dir zur Gewissheit geworden ist, da du weißt, von wem du es gelernt hast, und weil du von Kindheit an die heiligen Schriften kennst, welche die Kraft haben, dich weise zu machen zur Errettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist. Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes ganz zubereitet sei, zu jedem guten Werk völlig ausgerüstet.
—2. Timotheus 3:10-17, Hervorhebungen von mir
Petrus betont sowohl seine persönliche Erfahrung als Zeuge der Verklärung als auch den göttlichen Willen hinter dem prophetischen Wort. Paulus spricht sowohl von seinem persönlichen Dienst und seiner Verfolgung als auch von der Heiligen Schrift als dem Hauch Gottes. Daraus folgt, dass unsere hermeneutische Brille sowohl die menschliche als auch die göttliche Urheberschaft der Bibel berücksichtigen muss, wenn wir sie lesen. Wenn wir dies nicht tun, wird das zu einer Vielzahl von Fehlern führen.
Der Hauptgedanke: Wir wollen verstehen, was die Autoren (Gott und Menschen) mitteilen wollten. Die beste Auslegung wird diese beabsichtigte Bedeutung getreu und genau wiedergeben.
Wähle aus obiger Tabelle eine Zeile aus, die dir auffällt, und erkläre diese und ihre Bedeutung mit eigenen Worten.
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Haben menschliche Autoren über das hinaus geredet, was sie verstanden?
Eine Frage, die durch die obige Diskussion nicht vollständig beantwortet wird, ist, ob die Bibelschreiber mehr geschrieben haben, als sie verstanden haben. Dies ist eine wichtige Frage, wenn es um die Vorschattung Jesu im AT geht (was wir in Lektion 7 ausführlich besprechen werden).
Zwei Zitate aus „The Right Doctrine from the Wrong Texts?“ von zwei verschiedenen Autoren geben uns eine durchdachte, biblisch ausgewogene Antwort auf diese Frage.¹
Der Geist Gottes kann sehr wohl Ausdrücke inspiriert haben, die möglicherweise über die Gedanken der heiligen Schriftsteller und derer, an die sie sich gerichtet haben, hinausgingen. Dies geschah sicherlich im Fall von Kaiphas (Joh 11:49-52), und es gibt keinen Grund, die Möglichkeit eines solchen Prozesses in der Inspiration der alttestamentlichen Schrift zu leugnen.
—Zitat von Roger Nicoles Text, meine Übersetzung
Nichtsdestotrotz sollte die Auslegung eines Textes nicht an der Absicht des menschlichen Autors vorbeigehen. Er hat das Recht zu sagen, dass bestimmte Interpretationen seiner Worte falsch sind. Allerdings sollten wir uns daran erinnern, dass Gott durch die Worte eines Schreibers der Schrift mehr offenbaren kann, als dieser verstanden hat.
—Zitat von Philip Barton Paynes Text, meine Übersetzung
Mit anderen Worten, ein biblischer Schreiber, der jetzt in der Gegenwart Gottes ist, könnte mehr von dem erfahren, was mit seinen eigenen Worten gemeint war, wenn er sie im Licht der vollen Offenbarung Gottes noch einmal liest. In einem solchen Fall könnte er überrascht sein, dass Gott mehr sagte, als er selbst beim Schreiben dachte. Aber er hätte etwas dagegen, wenn seine ursprünglich beabsichtigte Bedeutung ignoriert, falsch ausgelegt oder missbraucht wurde. Darüber hinaus macht 1. Petrus 1:10–12 deutlich, dass die Autoren mehr verstanden, als die meisten modernen Ausleger annehmen.
Ein Buch, viele Bücher
Wir haben gezeigt, dass die Bibel von vielen verschiedenen menschlichen Autoren geschrieben wurde, während sie gleichzeitig letztendlich von einem einzigen, göttlichen Autor verfasst wurde. Ebenso ist sie ein einzelnes Buch, das aus vielen Büchern besteht – eine Tatsache, die sich ebenfalls auf unsere Auslegung auswirkt.
Betrachte ein Orchester. Es besteht aus einer Vielzahl von Instrumenten und Musikern, mit einem einzigen Dirigenten. Jeder Musiker hat seinen eigenen Stil, er hat aber auch viele Gemeinsamkeiten mit denen, die dasselbe oder ähnliche Instrumente spielen. Und alle Teile kommen in einem einzigen Musikstück zusammen, obwohl einige Instrumente Noten im Violinschlüssel spielen, andere im Bassschlüssel und einige in beiden Schlüsseln. Und die Instrumente haben unterschiedliche Klänge: durchdringend und dünn (Piccolo), warm und rund (Französisches Horn), lebendig und hell (Trompete), tief und unterstützend (Kontrabass), voll und mitreißend (die Geigen).
Dies ist ein Bild der Bibel – sechsundsechzig Bücher, die von einigen Dutzend Autoren in einer Handvoll verschiedener Literaturgattungen geschrieben wurden. Angesichts einer solchen Struktur beginnen wir unsere Auslegung einer bestimmten Passage natürlich mit Bezug auf die anderen „Noten“ desselben „Musikers“. Von dort aus betrachten wir auch den Rest der biblischen Schriften dieses Autors und die anderer in der selben Literaturgattung. Aber noch sind wir nicht fertig. Denn selbst die unterschiedlichsten Bücher haben etwas über die Auslegung der anderen Bücher zu sagen, da alle biblischen Bücher vom großen Dirigenten meisterhaft zu einem einzigen Buch zusammengefasst wurden.